In diesem Beitrag geht es um die steuerlichen Voraussetzungen und Folgen der erweitert beschränkten Steuerpflicht nach § 2 AStG. Die erweitert beschränkte Steuerpflicht nach § 2 AStG vergrößert den Kreis der unbeschränkten Steuerpflicht (Welteinkommensprinzip) und der beschränkten Steuerpflicht (inländische Einkünfte nach § 49 EStG).

Allgemeines

Nach § 1 Abs. 1 S. 1 EStG unterliegt ein Steuerpflichtiger mit einem in Deutschland belegenem Wohnsitz i.S.d. § 8 AO oder gewöhnlichen Aufenthalt nach § 9 AO der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht. Folgend dem Welteinkommensprinzip erstreckt sich die unbeschränkte Steuerpflicht auf jegliche im Veranlagungszeitraum erzielten Einkünfte. Sofern kein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland vorliegt, besteht in Deutschland nur im Umfang der inländischen Einkünfte nach § 49 EStG oder der erweiterten Inlandseinkünfte eine Steuerpflicht.

Erweitert beschränkte Steuerpflicht – relevante Einkünfte

Es sind die Einkünfte relevant, die weder unter § 49 Abs. 1 EStG fallen noch unter § 34d EStG. Die beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte sind mit den Einkünften nach § 2 AStG in einer Veranlagung zusammenzufassen. Ob diese von einer ausländischen Zwischengesellschaft erzielt werden, spielt nach § 2 Abs. 4 AStG, § 5 AStG keine Rolle. Daher werden auch die erweiterten Inlandseinkünfte einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft nach § 5 AStG bei Ihrem erweitert beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner erfasst.

Voraussetzungen nach § 2 AStG

a) Um vom persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des § 2 AStG umfasst zu werden, müssen gewisse Voraussetzungen vorliegen. Die erweitert beschränkte Steuerpflicht greift bei natürlichen Personen, die als Deutsche/r i.S.d. Staatsangehörigkeit fünf Jahre lang unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sein muss. Der Fünfjahreszeitraum muss in den letzten zehn Jahren vor der Verlegung der Ansässigkeit gelegen haben. Der Zehnjahreszeitraum beginnt nach Ende des Jahres, in dem die unbeschränkte Steuerpflicht durch Wegzug endet. § 2 Abs. 1 EStG setzt das Ende der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 S. 1 EStG voraus. Die Zehnjahresfrist ist nicht nach Veranlagungszeiträumen, sondern gem. § 108 AO i.V.m. §§ 187 ff. BGB taggenau rückwärts zu berechnen. Die Voraussetzungen für die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht werden in diesem Beitrag dargestellt:

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b) Weitere Voraussetzung für die erweitert beschränkte Steuerpflicht ist, dass der in den letzten zehn Jahren vor dem Ende der unbeschränkten Steuerpflicht insgesamt fünf Jahre unbeschränkt Steuerpflichtige in einem ausländischen Gebiet ansässig ist, in dem er mit seinem Einkommen nur einer niedrigen Besteuerung unterliegt, § 2 Abs. 2 AStG.  Der Steuerbelastungsvergleich erfolgt gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG grundsätzlich anhand eines abstrakten Vergleichs bei einem Einkommen i.H.v. 77.000 € einer unverheirateten natürlichen Person. Fällt die Steuerbelastung bei einem abstrakten Vergleich zu mehr als 1/3 niedriger als die deutsche Steuerbelastung aus, so hat der Weggezogene gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 HS 2 AStG die Möglichkeit, zum Gegenbeweis einer tatsächlichen Steuerbelastung im Zuzugsstaat über 2/3 der tatsächlichen deutschen Steuerbelastung einen konkret-individuellen Belastungsvergleich anzustellen.

c) Weiterhin müssen als Voraussetzung für die erweitert beschränkte Steuerpflicht noch wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland vorliegen, § 2 Abs. 3 AStG. Davon wird gem. § 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG ausgegangen, wenn die natürliche Person Einzelunternehmer, unbeschränkt haftender Mitunternehmer, ein zu mehr als 25 % beteiligter Kommanditist einer Kommanditgesellschaft oder Inhaber einer Beteiligung nach § 17 EStG ist. Zur Erfüllung jener Voraussetzung führt ebenfalls die Überschreitung von relativen und absoluten Quoten der Einkünfte und des Vermögens. Werden mehr als 30 % sämtlicher Einkünfte der natürlichen Person bzw. mehr als 62.000 € in Deutschland erzielt, so liegt ein wesentliches wirtschaftliches Interesse in Deutschland ebenso vor. Gleiches gilt, falls der Anteil des inländischen Vermögens 30 % des Gesamtvermögens übersteigt bzw. das inländische Vermögen mehr als 154.000 € beträgt.

Erweitert beschränkte Steuerpflicht – die Rechtsfolgen

Die erweiterten Inlandseinkünfte werden für zehn Jahre besteuert. Erweiterte Inlandseinkünfte sind Einkünfte, die weder unter § 49 Abs. 1 EStG fallen noch unter § 34d EStG. Die beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte nach § 49 EStG sind mit den Einkünften nach § 2 AStG in einer Veranlagung zusammenzufassen. Bei der Qualifizierung der Einkünfte dem Grunde nach ist die isolierende Betrachtungsweise des § 49 Abs. 2 EStG zu beachten. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind inländische Einkünfte, soweit das Grundstück in Inland belegen ist, § 21 EStG, § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG und damit beschränkt steuerpflichtige Einkünfte. Vermietungseinkünfte im Ausland sind keine erweiterten Inlandseinkünfte, § 34d Abs. 1 Nr. 7 EStG. Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit sind ebenfalls keine erweiterten Inlandseinkünfte, § 34d Abs. 1 Nr. 5 EStG. Durch eine Betriebsstätte in Deutschland erzielte gewerbliche Einkünfte werden somit stets als inländisch qualifiziert und damit der beschränkten Steuerpflicht unterworfen, auch wenn sie möglicherweise gleichzeitig ausländische Einkünfte darstellen. Die erweitert beschränkte Steuerpflicht hat bei „betriebsstättenlosen“ Einkünften und Einkünften aus Kapitalvermögen die größte praktische Relevanz. Für gewerbliche „betriebsstättenlose“ Einkünfte gilt:

Eine inländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte ist immer dann anzunehmen sein, wenn Einkünfte weder durch eine ausländische Betriebsstätte noch durch deren ausländischen ständigen Vertreter erzielt werden. In diesem Fall sollen die „betriebsstättenlosen“ Einkünfte für Zwecke der erweiterten beschränkten Steuerpflicht der fiktiven Inlandsbetriebsstätte zugeordnet werden.

Um betriebsstättenlose Einkünfte und damit die erweitert beschränkte Steuerpflicht zu vermeiden, sollte der Steuerpflichtige dokumentieren können, dass die Einkünfte einer echten ausländischen Betriebsstätte mit Substanz zuzuordnen sind. Werden gewerbliche Einkünfte nämlich einer ausländischen Betriebsstätte zugeordnet, scheiden diese als erweiterte Inlandseinkünfte durch die Qualifizierung als ausländische Einkünfte im Sinne des § 34d EStG aus.

Erweitert beschränkte Steuerpflicht – Das Verhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen

Im Rahmen der erweitert beschränkten Steuerpflicht sind die Doppelbesteuerungsabkommen weiterhin anwendbar und haben auch Vorrang. Einkünfte und Vermögen, für das nach dem DBA dem Ansässigkeitsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht zusteht, unterliegen nicht der erweitert beschränkten Steuerpflicht. Die erweitert beschränkte Steuerpflicht hat damit die größte Relevanz bei Wegzugsländern, mit denen kein DBA besteht. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt, denn insbesondere im Verhältnis zur Schweiz, Italien, UK und Nordirland kann es trotz und vor allem gemäß Doppelbesteuerungsabkommen zu einer erweitert beschränkten Steuerpflicht kommen.

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